Schlaflos in Hamburg

Vor einigen Jahren explodierte mitten in der Nacht ein Auto in der Straße hinter meinem Haus. Quasi unter meinem Schlafzimmerfenster. Ich weiß nicht mehr, wie es zu diesem Vorfall kam, ich weiß nur noch, dass ich erst am nächsten Vormittag davon erfuhr und zwar, als meine Nachbarin mich fragte: „Wo warst Du eigentlich heute Nacht?“ Sie und der gesamte Rest der Nachbarschaft standen nach der Explosion erst kerzengerade im Bett und dann auf der Straße. Ich nicht. Ich wurde wie immer um 6 Uhr 30 vom Wecker geweckt.

Diese kleine Geschichte beschreibt sehr gut den Schlaf der ersten vier Jahrzehnte meines Lebens: nahezu komatös. Mich konnte nichts aus der Nachtruhe bringen: kein Stress, kein Streit, kein Horrorfilm im Kino. Hinlegen, Licht aus, einschlafen, durchschlafen, aufwachen – das war gesichert.

Dann kamen meine Hormone durcheinander und alles wurde anders.

Von einer Nacht auf die andere konnte ich plötzlich schlechter einschlafen und, was noch viel schlimmer war: nicht mehr durchschlafen. Wenn es gut lief, wurde ich einmal wach, wenn nicht, drei- oder viermal. Statt wie bisher acht Stunden, schlief ich plötzlich nur noch fünf oder sechs.

Ich versuchte, meine “Schlafhygiene” zu verbessern: kaufte mir erst ein neues Kopfkissen, dann eine neue Matratze und Verdunklungsvorhänge. Ich schlief bei geöffnetem Fenster, guckte ab 20 Uhr nicht mehr aufs Handy, dehnte meine Muskeln vorm Hinlegen und atmete im Quadrat nach dem Hinlegen. Ich nahm Produkte mit Lavendel, Produkte mit Melatonin, Produkte mit Baldrian. Machte erst abends gar keinen Sport mehr, dann extra viel. Kaffee gab’s nur noch bis 14 Uhr, Kohlenhydrate auch. Jeden Tag lag ich Punkt 22 Uhr im Bett, sogar am Freitag und Samstag.

Das meiste half höchstens vorübergehend, dafür entwickelte ich so eine Art “Bettpanik” wegen der meine Nächte noch schlechter statt besser wurden.

Vor zweieinhalb Jahren habe ich eine Hormonersatztherapie begonnen. Durch das Progesteron, das ich etwa 30 Minuten vor dem Zubettgehen nehme (ich kombiniere es mit Magnesium, dann ist die entspannende Wirkung noch größer), kann ich ohne Probleme einschlafen und ich werde in der Nacht auch nicht mehr so oft wach. Trotzdem: Mein Schlaf ist nicht mehr so geworden, wie er mal war. Und wenn ich ehrlich bin, ich glaube auch nicht, dass er es je wieder wird.

Das Einzige, was mittlerweile wirklich besser geworden ist, ist meine Gelassenheit: Schlaf verändert sich im Alter, unabhängig von chaotischen oder fehlenden Hormonen. Schlaflosigkeit ist sicher auch eine Folge unserer nicht gerade entspannungsfördernden Zeit. Ich weiß natürlich, dass dauerhaft zu wenig Schlaf das Risiko für bestimmte Krankheiten erhöhen kann. Aber ich kann meinen Körper eben auch nicht zwingen, sieben oder acht Stunden zu schlafen. Ich akzeptier das also jetzt einfach.

Ach ja, in meiner Straße hat übrigens ein Kryo-Studio aufgemacht. Da stellt man sich für ein paar Minuten bei minus 90 Grad in eine Kältekammer. Soll unter anderem auch gut sein für die Verbesserung der Schlafqualität.